Randmarkierungen effektiv nutzen
April 3, 2025
Warum einfaches Unterstreichen nicht ausreicht
Das Unterstreichen soll Aufmerksamkeit erhöhen und relevante Aussagen beim Wiederlesen schneller zugänglich machen. Doch häufig geschieht es zu schnell – man markiert intuitiv, was zunächst überzeugend wirkt, ohne die Tiefe oder Struktur des Textes zu erfassen. Dadurch können wichtige Zusammenhänge verloren gehen.
Außerdem ist beim ersten Lesen die Gesamtstruktur eines Textes meist noch nicht erkennbar. Daher ist es sinnvoll, Randbemerkungen erst beim zweiten Lesen zu erstellen – wenn man den Text bereits „von oben“ überblickt.
Zwei Arten von Randmarkierungen
Randmarkierungen lassen sich grundsätzlich in zwei funktionale Ebenen unterteilen:
- Inhaltliche Randmarkierungen erfassen was der Text sagt. Sie fassen zentrale Aussagen zusammen, halten wichtige Begriffe fest und helfen dabei, das inhaltliche Verständnis zu sichern. Diese Ebene bleibt stärker an der konkreten Textaussage orientiert.
- Strukturelle Randmarkierungen zeigen wie der Text aufgebaut ist. Sie verdeutlichen die Funktion einzelner Textteile: Wird eine These formuliert? Ein Argument eingebracht? Eine Definition gegeben? Damit erschließen sie den gedanklichen Aufbau und die Argumentationslogik des Textes.
Beide Arten sind keine Alternativen, sondern ergänzen sich. Während inhaltliche Markierungen den Fokus auf das „Was“, also den Inhalt legen, richten sich strukturelle Markierungen auf das „Wie“, also auf die sprachlich-rhetorische Umsetzung. Erst durch die Kombination entsteht ein vollständiges Verständnis wissenschaftlicher Texte.
Inhaltliche Randbemerkungen: Was sagt der Text?
Inhaltliche Randbemerkungen dienen der gezielten Erfassung der wichtigsten Aussagen eines Textes. Dabei geht es nicht um eine Wiederholung ganzer Sätze, sondern um knappe Zusammenfassungen – oft in Stichpunkten oder Schlagworten. Diese sollten am Rand jedes Abschnitts notiert werden.
Stellen Sie sich beim Lesen folgende Fragen:
- Was ist das Kernthema dieses Abschnitts?
- Welcher Gedanke steht im Zentrum?
- Welche Begriffe erscheinen besonders wichtig?
Hilfreich ist auch eine visuelle Strukturierung:
- Umkreisen Sie Schlüsselbegriffe.
- Verbinden Sie verwandte Begriffe mit Linien oder Pfeilen.
- Erstellen Sie eine kleine Begriffslandkarte („Mini-Mindmap“) direkt am Rand.
Diese Form der Markierung hilft beim schnellen Wiederholen und bei der Vorbereitung auf Prüfungen oder schriftliche Arbeiten, da der Text auf einen Blick reduziert zugänglich wird.
Strukturelle Randbemerkungen: Was tut der Text?
Neben dem Inhalt spielt auch die Struktur eine entscheidende Rolle. Hier markieren Sie, wie der Text aufgebaut ist und welche Funktion eine Textstelle erfüllt. Dazu können Sie sich folgende Fragen stellen:
- Wird hier eine These formuliert?
- Wird ein Argument oder ein Beispiel gebracht?
- Wird ein Begriff definiert oder eine Problemlage skizziert?
Beispiele für strukturierende Markierungen (Abkürzungen):
Kürzel | Bedeutung | Funktion im Text |
---|---|---|
Th | These | Eine zentrale Behauptung wird aufgestellt |
Arg | Argument | Ein Argument stützt die These |
Def | Definition | Ein Begriff wird erläutert |
Bsp | Beispiel | Veranschaulichung eines Sachverhalts |
Prob | Problem | Eine Schwierigkeit oder Fragestellung wird aufgezeigt |
Lös | Lösung | Ein Lösungsvorschlag wird präsentiert |
Krit | Kritik | Andere Positionen werden hinterfragt |
Vs | Gegensatz | Zwei Ansätze oder Begriffe werden gegenübergestellt |
Bel | Beleg | Verweis auf Studien, Daten oder Autor:innen |
Eig | Eigenschaften | Aufzählung von Merkmalen oder Aspekten |
Frage | Frage | Eine offene oder zu beantwortende Frage |
Diff | Differenzierung | Eine Unterscheidung oder Typisierung wird vorgenommen |
Ass | Assoziation / Notiz | Eigene Gedanken oder Querverweise |
Diese Liste ist flexibel – je nach Texttyp können eigene Kürzel ergänzt werden.
Praxisbeispiel: Inhalt und Struktur verbinden
Ein wirksamer Leseansatz kombiniert inhaltliche und strukturelle Markierungen. Beispiel:
Originaltext:
„In den letzten Jahrzehnten hat sich das Lernverhalten stark verändert. Neue Medien und digitale Plattformen spielen dabei eine zentrale Rolle.“
Inhaltliche Randbemerkung: „Veränderung des Lernverhaltens durch digitale Medien“
Strukturelle Randbemerkung: Th – zentrale These zur Rolle digitaler Medien
Oder:
Originaltext:
„Eine Studie von Müller (2020) zeigt, dass visuelle Lernmethoden bei Studierenden zu einer besseren Informationsverarbeitung führen.“
Inhaltliche Randbemerkung: „Studie: Visualisierung unterstützt Lernen“
Strukturelle Randbemerkung: Bel – Beleg durch empirische Studie
Diese Kombination erlaubt eine doppelte Orientierung: Man versteht sowohl was ausgesagt wird als auch wie die Aussage in die Argumentationsstruktur eingebettet ist. Besonders bei längeren Texten schafft das Übersichtlichkeit und spart später viel Zeit.
Digitale Werkzeuge nutzen
Viele Studierende arbeiten heute fast ausschließlich digital. Daher ist es sinnvoll, auch Randmarkierungen und Annotationen mit digitalen Tools umzusetzen.
Geeignete Programme:
- Adobe Acrobat Reader: Ermöglicht farbige Markierungen, Kommentare und Notizen direkt im PDF.
- Zotero / Mendeley: Literaturverwaltungsprogramme mit Annotationstools für PDFs.
- Notion / Obsidian: Bieten flexible Möglichkeiten zur Textstrukturierung, Tagging und Verlinkung von Inhalten.
- LiquidText oder MarginNote (für Tablets): Spezialisierte Apps für aktives, visuelles Lesen mit Notizfunktionen.
Vorteile digitaler Markierungen:
- Leicht auffindbar durch Suchfunktion
- Übertragbar auf andere Geräte
- Organisierbar durch Tags, Kategorien oder Farben
- Kombinierbar mit eigenen Gedanken oder Zusammenfassungen
Wer diese Tools klug einsetzt, kann nicht nur besser lesen, sondern auch effizienter lernen und schreiben. Zudem eignen sich digitale Randbemerkungen ideal für kollaboratives Arbeiten – etwa bei Gruppenprojekten oder im wissenschaftlichen Austausch.
Effektives Lesen durch aktives Markieren
Das bewusste Setzen von Randmarkierungen – inhaltlich und strukturell – verwandelt das Lesen in einen aktiven Prozess. Es schärft das Textverständnis, erleichtert spätere Analysen und bereitet optimal auf Diskussionen, Hausarbeiten oder Prüfungen vor. Je öfter man diese Technik anwendet, desto schneller und präziser gelingt das Erfassen selbst komplexer Fachtexte.