Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen heute?
April 3, 2025
Selbstgesteuertes Lernen ist längst mehr als ein pädagogisches Schlagwort. In einer Zeit, in der sich Lernräume digitalisieren und Lernwege individuell gestalten lassen, gewinnt diese Kompetenz enorm an Bedeutung. Sowohl Studierende als auch Lehrende sind gefragt, wenn es darum geht, Lernprozesse aktiv, reflektiert und eigenverantwortlich zu steuern. Doch was genau steckt heute hinter dem Begriff „selbstgesteuertes Lernen“? Und welche Herausforderungen und Chancen bringt er mit sich?
Begriffsklärung: Was ist selbstgesteuertes Lernen?
Selbstgesteuertes Lernen beschreibt einen Lernprozess, bei dem Lernende eigenverantwortlich Ziele setzen, Inhalte wählen, Zeit einteilen und Fortschritte reflektieren. Es geht dabei nicht um völlige Unabhängigkeit, sondern um die Fähigkeit, sich selbst durch den Lernstoff zu navigieren – mit oder ohne externe Unterstützung.
Bereits in den 1970er Jahren sprachen Psychologen wie Albert Bandura von der Bedeutung von Selbstwirksamkeit für das Lernen. Heute wird das Konzept oft erweitert durch Begriffe wie *Selbstorganisation*, *Selbstreflexion*, *Lernstrategiekompetenz* oder *Selbstmotivation*. Zentral ist die Vorstellung, dass Lernende sich aktiv mit ihrem eigenen Lernen auseinandersetzen und Verantwortung für den Lernprozess übernehmen.
Ein weiteres wesentliches Merkmal ist die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen und eigene Lernstrategien zu entwickeln. Dies setzt ein Mindestmaß an Metakognition voraus, also die Fähigkeit, über das eigene Lernen nachzudenken.
Warum ist selbstgesteuertes Lernen heute so wichtig?
Die Bildungslandschaft hat sich stark verändert. Durch digitale Lernangebote, flexible Studienformate und den Einsatz von KI-Systemen entstehen neue Freiheiten – aber auch neue Anforderungen. Selbstgesteuertes Lernen wird dabei zur Schlüsselkompetenz:
- In Online-Seminaren sind klare Zeitstruktur, Eigenmotivation und Zielklarheit essenziell.
- In blended oder hybriden Formaten braucht es die Fähigkeit, Inhalte eigenständig zu priorisieren.
- Lebenslanges Lernen ist kaum denkbar ohne selbstgesteuerte Lernhaltung.
Darüber hinaus fordert die Arbeitswelt zunehmend Selbststeuerung, Adaptivität und lebenslanges Lernen. Auch gesellschaftlich werden Fähigkeiten wie Eigenverantwortung, kritisches Denken und Selbstmanagement zunehmend wichtiger. Bildungsinstitutionen stehen daher vor der Aufgabe, entsprechende Lernkulturen zu fördern.
Gleichzeitig sehen wir auch: Nicht alle Lernenden bringen diese Kompetenzen automatisch mit. Studien zeigen, dass viele Studierende Schwierigkeiten mit Zeitmanagement, Motivation oder Zieldefinition haben. Daher braucht es gezielte Unterstützung durch die Lehre.
Voraussetzungen und Herausforderungen
Damit selbstgesteuertes Lernen gelingt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Motivation: Lernende brauchen einen inneren Antrieb und Sinnbezug. Intrinsische Motivation kann durch Relevanz der Inhalte, Wahlmöglichkeiten und persönliches Interesse gefördert werden.
Struktur: Es braucht Zeitpläne, Tools und klare Orientierungshilfen. Digitale Kalender, Lernplattformen oder Checklisten können hier helfen.
Reflexion: Lernen ohne regelmäßiges Innehalten und Feedback führt selten zu nachhaltigem Erfolg. Reflexionsmethoden wie Lerntagebuch oder Peer-Feedback können das Bewusstsein für Lernprozesse schärfen.
Herausfordernd ist, dass viele Lernumgebungen (z. B. stark frontale Lehrformate) kaum Spielraum für Selbststeuerung bieten. Auch digitale Reizüberflutung, Unsicherheiten in der Zieldefinition oder mangelnde Selbstdisziplin können hinderlich sein. Zudem fehlen häufig Gelegenheiten, Selbstlernkompetenzen im geschützten Raum zu erproben und schrittweise aufzubauen.
Wie können Lehrende und Lernende selbstgesteuertes Lernen fördern?
Für Lehrende:
- Klare Erwartungen und Ziele kommunizieren
- Lernpfade und Entscheidungsmöglichkeiten sichtbar machen
- Reflexionsphasen einbauen (z. B. Lerntagebücher, Feedbackrunden)
- Digitale Tools wie Notion, Trello oder Padlet nutzen
- Gezielte Aufgaben zur Planung, Durchführung und Reflexion geben
Für Lernende:
- Eigene Ziele formulieren (Was will ich warum lernen?)
- Lernfortschritte regelmäßig reflektieren (Was habe ich verstanden?)
- Störquellen minimieren und produktive Routinen etablieren
- Peer-Learning oder Lerntandems nutzen
- Eigene Erfolge dokumentieren (z. B. Lernjournal, Screenshot-Sammlungen)
Hilfreich ist es auch, wenn Lehrende gezielt über den Lernprozess sprechen und Metakommunikation einbauen. So können Studierende ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie sie lernen – nicht nur *was* sie lernen.
Fazit
Selbstgesteuertes Lernen ist eine zentrale Kompetenz in einer dynamischen, digitalisierten Lernwelt. Es braucht nicht nur technische Infrastruktur, sondern vor allem pädagogische Begleitung, um diese Fähigkeit zu entwickeln. Wer lernt, sich selbst zu steuern, lernt nachhaltiger, motivierter und individueller. Gerade in der Hochschullehre liegt hier großes Potenzial – für Lernende wie Lehrende gleichermaßen.
Selbststeuerung ist keine einmalige Fähigkeit, sondern ein Prozess: Sie wächst mit Übung, Reflexion und Vertrauen in die eigene Wirksamkeit. Deshalb lohnt es sich, Lernumgebungen zu schaffen, die dazu anregen – und die Lernenden auf diesem Weg begleiten.