Lernerzentrierte Didaktik

In einer sich wandelnden Bildungslandschaft reicht es nicht mehr aus, Wissen lediglich zu vermitteln. Vielmehr geht es darum, Lernprozesse aktiv zu gestalten – mit den Lernenden im Mittelpunkt. Die lernerzentrierte Didaktik verfolgt genau dieses Ziel: Sie rückt die Perspektive der Studierenden ins Zentrum und schafft Räume für selbstbestimmtes, aktives und reflektiertes Lernen.

Was bedeutet „lernerzentriert“?

Der Begriff meint eine didaktische Haltung, bei der Lernende nicht bloß Empfänger von Wissen sind, sondern aktive Gestalter*innen ihres Lernprozesses. Inhalte, Methoden und Ziele werden so gewählt, dass sie an Vorerfahrungen, Interessen und Kompetenzen der Lernenden anschließen.

Zentrale Merkmale:

  • Fokus auf individuelle Lernwege und -ziele
  • Förderung von Selbststeuerung und Motivation
  • Aktivierende Lehrmethoden (z. B. Projektarbeit, Fallstudien)
  • Reflexion und Feedback als Bestandteil des Lernens

Warum lernerzentriert lehren?

Traditionelle Lehrformate (z. B. Frontalvorträge) stoßen oft an ihre Grenzen – besonders in heterogenen Lerngruppen. Die lernerzentrierte Didaktik bietet Antworten auf aktuelle Herausforderungen:

  • Studierende übernehmen Verantwortung für ihr Lernen
  • Höhere Motivation durch Relevanz und Selbstwirksamkeit
  • Besserer Kompetenzerwerb durch Anwendung und Reflexion
  • Förderung von Metakognition und Transferleistungen

Lernende werden so nicht nur Fachkundige, sondern auch selbstständige Problemlöser*innen.

Methoden in der Praxis

Lernerzentrierte Lehre bedeutet nicht, auf Struktur zu verzichten. Vielmehr geht es um gezielte Gestaltung von Lernumgebungen:

Methode Beschreibung
Problemorientiertes Lernen Lernen anhand realitätsnaher Fragestellungen
Projektarbeit Studierende bearbeiten komplexe Themen eigenständig
Peer-Learning Lernen in wechselseitiger Unterstützung
Flipped Classroom Inhalte werden vor der Sitzung erarbeitet, die Präsenzzeit dient der Vertiefung
Selbstreflexion Lernjournale, Portfolios oder Reflexionsaufgaben zur Förderung der Selbststeuerung

Tipp für Lehrende: Methodenwahl hängt vom Kontext ab – nicht jede Methode ist in jedem Format sinnvoll. Entscheidend ist die Passung zur Lernintention.

Rolle der Lehrperson

In lernerzentrierten Szenarien verändert sich die Rolle der Lehrkraft:

  • Wegbereiterin statt Wissensvermittlerin
  • Coach und Feedbackgeber*in
  • Moderator*in von Lernprozessen

Diese Rolle erfordert Flexibilität, Offenheit und Vertrauen in die Lernfähigkeit der Studierenden. Gleichzeitig bleibt die Verantwortung für Rahmen, Struktur und Qualität der Lehre bei der Lehrperson.

Herausforderungen und Umgang damit

Wie bei jeder Veränderung treten auch hier Spannungsfelder auf:

Herausforderung Mögliche Lösung
Unsicherheit bei Studierenden Klare Struktur, transparente Lernziele, Anleitung
Zeitintensive Vorbereitung Methodenpool anlegen, Materialien wiederverwendbar machen
Ungleiches Engagement in Gruppen Rollen verteilen, individuelle Reflexion fördern
Prüfungsdruck Formative Assessmentformate integrieren

Ein bewusster Umgang mit diesen Faktoren erhöht die Wirksamkeit der Umsetzung.

Digital unterstützt – noch lernzentrierter?

Digitale Tools bieten große Chancen für lernerzentriertes Lernen:

  • Lernplattformen für asynchrones Arbeiten
  • Interaktive Inhalte (z. B. H5P, LearningApps)
  • Feedbacktools wie Mentimeter oder EduVote
  • Selbstlernumgebungen mit Video, Quiz, Reflexionsimpulsen

Wichtig ist dabei nicht der Technikeinsatz an sich, sondern die didaktische Einbettung: Tools sollen Prozesse unterstützen, nicht dominieren.

Fazit

Lernerzentrierte Didaktik ist kein festes Modell, sondern eine Haltung: Wer Lehre vom Lernen her denkt, erkennt Potenziale für mehr Motivation, Tiefe und Selbstständigkeit. Für Lehrende bedeutet das, Rollen neu zu definieren – und sich auf den offenen Prozess einzulassen.

Für Studierende eröffnet sich dadurch ein aktiverer, bewussterer Lernweg – der mehr fordert, aber auch mehr ermöglicht.

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