Kompetenzorientierung

„Nicht für die Prüfung, sondern für das Leben lernen“ – dieser Satz beschreibt gut, was Kompetenzorientierung im Kern meint. In der Hochschullehre bedeutet das: Studierende sollen nicht nur Wissen erwerben, sondern lernen, es anzuwenden, Probleme zu lösen und eigenständig zu handeln. Doch was genau steckt hinter dem Begriff? Wie lässt sich kompetenzorientierte Lehre konkret umsetzen?

Dieser Beitrag bietet einen praxisnahen Einstieg und zeigt, wie Lehrende und Lernende von einer Kompetenzperspektive profitieren können.

Was heißt „Kompetenz“ im Hochschulkontext?

Kompetenz umfasst mehr als reines Fachwissen. Laut gängiger Definition ist sie die Fähigkeit, Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen in konkreten Situationen erfolgreich einzusetzen.

Kompetenzen beinhalten:

Fachkompetenz: Wissen über Inhalte und Methoden

Methodenkompetenz: Analyse-, Recherche- und Präsentationstechniken

Sozialkompetenz: Kommunikation, Teamarbeit, Empathie

Selbstkompetenz: Selbstorganisation, Reflexion, Verantwortung

In der Lehre geht es also darum, handlungsrelevantes Wissen zu fördern – nicht nur reproduktives.

Warum ist Kompetenzorientierung wichtig?

Die Anforderungen an Hochschulabsolvent innen haben sich verändert. Arbeitgeber erwarten nicht nur Fachwissen, sondern auch überfachliche Kompetenzen. Gleichzeitig brauchen Studierende Werkzeuge, um in einer komplexen, sich wandelnden Welt bestehen zu können.

Kompetenzorientierung bedeutet:

  • nachhaltigeres Lernen durch aktives Tun
  • Förderung von Transfer und Problemlösefähigkeit
  • individuelle Stärken sichtbar machen
  • Studieninhalte lebensnäher gestalten

Auch die Bologna-Reform und der European Qualifications Framework (EQF) betonen Kompetenzen als zentrale Zielgröße von Studiengängen.

Lehrveranstaltungen kompetenzorientiert gestalten

Kompetenzorientierung beginnt bei der Zieldefinition. Anstatt nur festzulegen, was vermittelt wird, sollte beschrieben werden, was Studierende danach können sollen.

Beispielhafte Zielbeschreibung:

Statt: „Die Studierenden kennen die Theorie X.“

→ besser: „Die Studierenden können Theorie X auf ein Praxisbeispiel anwenden und kritisch beurteilen.“

Gestaltungstipps:

  • Lernziele in Handlungsergebnisse übersetzen („können, anwenden, analysieren“ statt „wissen, kennen“)
  • Aktivierende Methoden einsetzen: Gruppenarbeiten, Fallstudien, Simulationen
  • Reflexionsphasen einbauen, um Lernen sichtbar zu machen

Kompetenzorientiert prüfen

Was kompetenzorientiert gelehrt wird, sollte auch entsprechend geprüft werden. Klassische Klausuren reichen oft nicht aus, um Anwendungskompetenz oder Reflexionsfähigkeit zu erfassen.

Alternativen und Ergänzungen:

  • Portfolio-Prüfungen: Dokumentation des Lernprozesses über das Semester hinweg
  • Präsentationen oder Poster: Anwendung und Darstellung von Wissen
  • Fallanalysen: Problemlösungen in komplexen Szenarien entwickeln
  • Peer-Feedback: soziale und kommunikative Kompetenzen stärken

Wichtig ist: Die Prüfungsform muss zur Zielsetzung passen. Ein „Mismatch“ zwischen Lehre und Prüfung untergräbt den Lernprozess.

Rollenwechsel für Lehrende und Studierende

Kompetenzorientierung verändert auch die Rollenbilder im Studium:

  • Lehrende werden zu Lernbegleiter*innen, Moderierenden und Feedbackgebenden – nicht mehr nur zu „Wissensvermittelnden“.
  • Studierende übernehmen mehr Verantwortung, planen eigenständiger, reflektieren ihr Lernen und bringen eigene Erfahrungen ein.

Das erfordert offene Lernumgebungen, eine klare Kommunikation der Erwartungen und Vertrauen in die Eigenverantwortung der Lernenden.

Fazit

Kompetenzorientierung ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine grundlegende Neuausrichtung akademischer Bildung. Sie fordert dazu auf, Lernen nicht nur als Stoffvermittlung zu verstehen, sondern als Entwicklung von Fähigkeiten, Einstellungen und Anwendungskompetenzen.

Für Lehrende bedeutet das: mutig sein, Methodenvielfalt nutzen und Lernprozesse stärker begleiten. Für Studierende heißt es: aktiv werden, Verantwortung übernehmen und sich selbst als handelnde Person im Lernprozess sehen.

Kompetenzorientierte Lehre braucht Offenheit, Zeit – und den Willen, gemeinsam neue Wege zu gehen.

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