Lerncoaching an Hochschulen: Unterstützung für nachhaltiges Lernen

Studieren bedeutet weit mehr als Vorlesungen besuchen und Prüfungen bestehen. Es geht um selbstständiges Denken, Motivation und strategisches Lernen – Fähigkeiten, die viele Studierende erst entwickeln müssen. Genau hier setzt Lerncoaching an, ein wachsendes Unterstützungsfeld an Hochschulen, das Studierende individuell begleitet.

In den letzten Jahren hat Lerncoaching – ursprünglich aus der Schul- und Personalentwicklung kommend – auch im Hochschulkontext stark an Bedeutung gewonnen. Laut einer Studie der Universität Wien (2024) bieten mittlerweile über 60 % der deutschsprachigen Universitäten Lerncoaching-Programme an. Ziel ist es, Lernende nicht nur fachlich, sondern auch psychologisch und methodisch zu stärken.

1. Was ist Lerncoaching?

Lerncoaching ist ein individueller Begleitprozess, in dem Studierende ihre Lernstrategien, Motivation und Selbstorganisation reflektieren und gezielt verbessern. Im Gegensatz zu Nachhilfe geht es nicht um fachliche Inhalte, sondern um Prozesskompetenzen.

Definition (nach Wild & Hofer, 2023):

Lerncoaching ist die ressourcenorientierte Begleitung von Lernenden mit dem Ziel, selbstreguliertes, effizientes und nachhaltiges Lernen zu fördern.

Lerncoaching basiert auf drei Säulen:

  • Selbstreflexion: Bewusstsein für eigene Lernmuster und Blockaden.
  • Zielorientierung: Entwicklung realistischer und erreichbarer Lernziele.
  • Strategieentwicklung: Anwendung individueller Lernmethoden.

Warum Lerncoaching im Hochschulkontext immer wichtiger wird

Die Anforderungen an Studierende steigen: komplexe Lerninhalte, Selbststudium, digitale Tools und Prüfungsdruck prägen den Studienalltag. Viele fühlen sich überfordert oder demotiviert.

Lerncoaching bietet hier eine strukturelle Antwort auf neue Lernrealitäten:

  • Es stärkt Selbststeuerung und Resilienz.
  • Es unterstützt Transitionen – z. B. vom Bachelor zum Master.
  • Es hilft bei der Balance von Studium, Arbeit und Privatleben.

Eine Befragung der Technischen Universität München (2025) ergab, dass Studierende mit Zugang zu Lerncoaching ihre Studienzufriedenheit um 27 % höher bewerten als die Vergleichsgruppe.

Ziele und Aufgaben des Lerncoachings

Zielbereich Beschreibung Beispiel aus der Praxis
Selbstorganisation Verbesserung von Zeitmanagement, Planung und Priorisierung. Erstellung eines Wochenplans mit realistischen Lernzeiten.
Motivation Erkennen individueller Motivationsfaktoren und Umgang mit Rückschlägen. Visualisierung persönlicher Ziele in einem „Motivationsboard“.
Lernstrategien Auswahl und Anpassung effektiver Lerntechniken je nach Fach und Lerntyp. Einführung von Spaced Repetition oder Mindmaps für komplexe Themen.
Stressmanagement Reflexion von Prüfungsangst und mentalen Blockaden. Einsatz von Achtsamkeitsübungen oder Atemtechniken vor Prüfungen.
Selbstvertrauen Aufbau von Zuversicht in die eigene Lernkompetenz. Reflexionsgespräche über Stärken und vergangene Erfolge.

Methoden und Werkzeuge im Lerncoaching

Lerncoaches nutzen wissenschaftlich fundierte Ansätze aus der Psychologie, Pädagogik und Motivationstheorie. Besonders bewährt haben sich Methoden aus dem lösungsorientierten Coaching, der Selbstregulationstheorie und der positiven Psychologie.

Methode Beschreibung Anwendung
SMART-Zielsetzung Eine strukturierte Methode zur Formulierung konkreter und erreichbarer Lernziele (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert). Lernende definieren Semesterziele, messen Fortschritte und reflektieren ihre Ergebnisse regelmäßig.
Lernbiografie-Arbeit Analyse bisheriger Lernwege, Erfahrungen und Gewohnheiten zur Identifikation persönlicher Stärken und Lernblockaden. Studierende reflektieren, welche Lernstrategien in der Vergangenheit erfolgreich waren und welche angepasst werden sollten.
Selbstwirksamkeitstraining Förderung des Vertrauens in die eigene Fähigkeit, Lernziele zu erreichen und Herausforderungen zu meistern. Kleine erreichbare Aufgaben setzen, Fortschritte sichtbar machen und positive Rückmeldung geben.
Mindmapping & Visualisierung Darstellung komplexer Themen und Zusammenhänge in visueller Form zur Strukturierung des Denkens. Lernende erstellen Mindmaps zu Theorien oder Forschungsfragen mit Farben, Symbolen und Hierarchien.
Motivational Interviewing Gesprächsbasierte Methode zur Stärkung der intrinsischen Motivation durch gezielte Fragen und Empathie. Coach fragt: „Warum ist dieses Ziel für dich wichtig?“ oder „Was hindert dich, den nächsten Schritt zu gehen?“
Reflexionsjournale Lernende dokumentieren regelmäßig ihre Fortschritte, Gefühle und Herausforderungen, um Selbstreflexion zu fördern. Wöchentliche Einträge mit Fragen wie „Was habe ich gelernt?“ und „Was möchte ich verbessern?“
Peer-Coaching Lernende unterstützen sich gegenseitig durch Feedback und gemeinsame Reflexion. Zweiergruppen treffen sich wöchentlich, um Lernfortschritte zu besprechen und gegenseitige Tipps zu geben.

💡 Tipp: Lerncoaching funktioniert besonders gut, wenn Studierende aktiv mitarbeiten und die Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen.

Digitale Lerncoaching-Tools und Plattformen

Digitale Technologien erweitern die Möglichkeiten des Lerncoachings erheblich. Apps und Plattformen unterstützen sowohl die Organisation als auch die Reflexion des Lernprozesses.

Tool / Plattform Funktion Besonderheit
Trello / Notion Projekt- und Lernmanagement mit Aufgabenlisten und Kalendern. Visualisierung von Lernfortschritt und Deadlines.
Reflectly Digitales Lerntagebuch mit Fokus auf Motivation und Emotionen. Fördert Selbstreflexion durch tägliche Fragen und Feedback.
Miro Virtuelles Whiteboard für Brainstorming und Mindmapping. Ideal für Gruppen-Coaching oder Online-Workshops.
Habitica Gamifizierte App zur Zielverfolgung im Lernprozess. Belohnungssystem stärkt Motivation und Routinen.
Eduflow Plattform für Peer-Feedback und reflektiertes Lernen. Kombiniert Coaching mit kollaborativem Austausch.

Forschungsergebnisse 2023–2025: Wirksamkeit von Lerncoaching

Studie / Institution Erkenntnis Jahr
OECD Learning Futures Lerncoaching steigert Selbstwirksamkeit und Lernzufriedenheit deutlich. 2025
Universität Wien Teilnehmende Studierende zeigen 23 % bessere Prüfungsleistungen. 2024
ETH Zürich Digital unterstütztes Lerncoaching erhöht Motivation und Durchhaltevermögen. 2023
Universität Leipzig Coaching reduziert Prüfungsstress messbar und stärkt Resilienz. 2024
Cambridge University Kombination von Lerncoaching und Peer-Mentoring fördert soziale Integration. 2025

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Obwohl Lerncoaching sich zunehmend etabliert, bleibt seine Implementierung an Hochschulen anspruchsvoll.

Herausforderungen:

  • Begrenzte personelle Ressourcen.
  • Unklare Abgrenzung zwischen Beratung, Coaching und Therapie.
  • Fehlende Finanzierung langfristiger Programme.

Erfolgsfaktoren:

Institutionelle Verankerung: Lerncoaching als Teil der Hochschuldidaktik.

Ausbildung qualifizierter Coaches: Didaktisch, psychologisch und digital geschult.

Feedbackkultur: Regelmäßige Evaluation von Wirksamkeit und Zufriedenheit.

Digitale Integration: Nutzung von Tools für Planung, Reflexion und Kommunikation.

🎯 Best Practice: Die Universität Zürich kombiniert Präsenzcoaching mit einer digitalen Plattform, auf der Studierende ihren Fortschritt dokumentieren und mit Coaches in Kontakt bleiben – ein hybrides Modell mit hoher Akzeptanz.

Fazit

Lerncoaching ist kein Trend, sondern ein zentraler Bestandteil moderner Hochschulentwicklung.

Es fördert Selbststeuerung, Motivation und Resilienz – Schlüsselkompetenzen für das Lernen im 21. Jahrhundert.

Die Forschung zeigt klar: Studierende profitieren nicht nur fachlich, sondern auch persönlich. Lerncoaching macht Lernen sichtbar, individuell und nachhaltig.

Für Hochschulen bedeutet das:

  • Coaching sollte institutionell gefördert,
  • in digitale Lernumgebungen integriert,
  • und als Teil der akademischen Kultur verstanden werden.

So wird Lernen an Hochschulen nicht nur geprüft, sondern begleitet und gestärkt – mit Langzeitwirkung für Studium und Berufsleben.

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